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Lillian Li über den süßen Geschmack von inspiriertem Schreiben

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Lillian Li, zu deren Portfolio auch der von Kritikern gefeierte Roman „Number One Chinese Restaurant“ gehört, lässt sich häufig von sehr realen Umständen im Alltagsleben inspirieren. Li hat sich mit uns darüber unterhalten, was sie zum Schreiben motiviert, wie sich die Pandemie auf ihre Kreativität ausgewirkt hat und warum sie ihre Internetpräsenz als „Hypeman“ für gute Schriftstellerei versteht – nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere.

SQUARESPACE: Was hat dich dazu inspiriert, diese Geschichte zu schreiben?

Lillian Li: Ich habe kurz als Kellnerin in einem (na, was wohl?!) chinesischen Restaurant gearbeitet, das war meine Inspiration. Mich haben die vielseitigen Beziehungsgeflechte der Mitarbeiter in diesem Restaurant fasziniert: Sie haben einander tatsächlich wie Familienmitglieder behandelt, was nicht nur bedeutete, dass man sich gegenseitig vor Kunden und dem Chef schützte, sondern auch, dass man sich brüllend im hinteren Teil der Küche über Belangloses streiten und sich Sekunden später wieder versöhnen konnte. Ich wollte diese Beziehungen hinter den Kulissen einfangen, die lange Arbeitszeiten und harte Arbeit prägen, und zeigen, wie es den Mitarbeitern gelungen ist, ihr Leben im Restaurant mit der Fürsorge füreinander nicht nur erträglich, sondern sogar angenehm zu gestalten. In diesem Zusammenhang wollte ich auch über Beziehungen außerhalb des Restaurants (Freunde, Familie) schreiben, die auf der Strecke blieben, um die Beziehungen innerhalb des Restaurants aufrecht zu erhalten, und die ambivalente Existenz, die das Leben professioneller Restaurantmitarbeiter auszeichnet.

SQSP: Was möchtest du deinen Lesern in deinem Buch mitgeben?

LL: Ich hoffe, dass Leser letztlich das Gefühl haben, die Charaktere, die sie in meinem Buch getroffen haben, leben auch dann weiter, nachdem sie die letzte Seite gelesen haben – von den Besitzern des Restaurants bis hin zum Tellerwäscher. In Zeiten von COVID laufen Restaurants aller Größe und Art Gefahr, ihre Pforten für immer schließen zu müssen. Ich hoffe, dass Leser Sympathie für meine Figuren entwickeln und diese nutzen, um sich um Restaurants und Restaurantmitarbeiter zu kümmern. Schließlich haben sich diese schon immer um ihr Wohlergehen gekümmert und tun das auch weiter.

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SQSP: Hat sich die Pandemie auf deine kreative Arbeit ausgewirkt und falls ja, in welcher Form?

LL: Eine der großen Überraschungen während der Pandemie ist, dass das Schreiben exakt so bleibt, wie es schon immer war, und sich nicht schwieriger gestaltet. Vor der Pandemie gab es schlechte Tage, an denen ich beim Schreiben nicht wirklich in den Fluss kommen konnte, und gute Tage, an denen es mir auch nicht gelang, beim Schreiben in den Fluss zu kommen. Während der Pandemie kam es mir so vor, als wäre jeder Satz ein Felsbrocken, den ich auf einen Berg hieven musste – und dieser Berg ist genauso steil und hoch wie früher. An manchen Tagen bin ich stark genug, um zu drücken, an anderen lasse ich den Felsbrocken einfach über mich rollen. Ich hatte vor und während der Pandemie nie eine Ahnung und auch keine Kontrolle darüber, welche Art Tag mich erwartet! Das Schreiben hat mich gelehrt, Unbekanntes und Unkontrollierbares auszuhalten. Die Pandemie hat mich zwar gezwungen, mich intensiver mit diesen Gefühlen zu beschäftigen, aber letzten Endes waren sie mir schon vertraut.

SQSP: Welchen Rat gibst du anderen Kreativen mit, die Schwierigkeiten damit haben, motiviert und inspiriert zu bleiben?

LL: Ich würde versuchen, diese fehlende Motivation und Inspiration anzuerkennen und trotzdem kreativ zu arbeiten. Uninspirierte, unmotivierte Arbeit ist ebenso notwendig wie kreativer Output – ohne Dunkel gibt es ja auch kein Licht. Ich arbeite jetzt an einem zweiten Roman, der mir wirklich sehr am Herzen liegt. Aber seit drei Jahren schreibe ich so ziemlich jeden Tag und hasse fast jedes Wort, das ich schreibe. Ich habe Ideen in Angriff genommen, sie immer mehr verachtet, und weiter geschrieben; Figuren blieben flach und unsympathisch, und trotzdem habe ich ihnen die Treue gehalten. Drei Jahre lang hatte ich das Gefühl, meine Kreativität und die Freude an meiner Arbeit verloren zu haben. Aber ich konnte nicht aufhören, es zu versuchen, weil ich mich daran erinnern konnte, wie viel Freude mir das einmal bereitet hat. So war eine Idee irgendwann nicht mehr ganz so verachtenswert. Eine Figur wurde allmählich lebensnaher, dann drei, dann fünf. Seitdem fühle ich mich jeden Tag wirklich sehr glücklich – an guten und schlechten Tagen. Drei Jahre sind ein langer Zeitraum, und viele Schriftsteller haben beim Schreiben noch länger mit Hindernissen zu kämpfen, aber manchmal muss man solche Hindernisse überwinden, bevor man etwas klar und sauber schreiben kann. Davon abgesehen schmeckt inspiriertes Schreiben, wenn es denn eintritt, nach dem bitteren Beigeschmack umso süßer. 

SQSP: Welche Rolle spielt deine Online-Präsenz für deinen Erfolg als Autorin?

LL: Das ist eine gute Frage! Wenn wir annehmen, dass meine Internetpräsenz eine Rolle für meinen Erfolg gespielt hat, dann hoffe ich, dass es sich um eine Art „Hypeman“ handelt – und zwar nicht nur für mich, sondern auch für andere Schriftsteller. Für mich fühlt sich das so an, wie in einen leeren Raum zu schreien, der ab und an eine Antwort murmelt. Ich hoffe also, dieses Gemurmel bedeutet, dass irgendjemand da draußen hört, wenn ich schreie: „Lest die wundervollen Romandebüts aus diesem Jahr!“. 


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